Impulse, Diskussionen und ein Science Slam 

– das war das Forum Zukunft Gartenbau   

In Heidelberg zeigen Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftler, welche Möglichkeiten Robotik
und Co. für Gartenbaubetriebe bieten – und wo noch Forschungsbedarf besteht

Am 21. und 22. Juni 2023 trafen sich über 100 Interessierte zum Forum Zukunft Gartenbau an der LVG Heidelberg. Nach der Eröffnung durch den HortiCo 4.0- Projektkoordinator Dr. Walter Dirksmeyer, der sich freut, dass mehr als die Hälfte der Teilnehmenden keinen direkten Bezug zur Gartenbau 4.0-Förderung haben, sondern gekommen sind, um sich über die neuen Entwicklungen zu informieren, und der Begrüßung durch den Institutsleiter der LVG Heidelberg Christoph Hintze, begann die Veranstaltung mit Grußworten aus dem Bundesministerium für Landwirtschaft und Ernährung. 

 

MinDir Dr. Burkhard Schmied (Leiter der Abteilung Landwirtschaftliche Erzeugung, Gartenbau, Agrarsozialpolitik, Steuern, Agrarstatistik im Bundesministerium für Ernährung und Landwirtschaft) betont die Bedeutung der Forschungsarbeiten für die Zukunft des Gartenbaus:

„Um den heutigen Herausforderungen zu begegnen und den Wettbewerb zu sichern, sind innovative Lö­sungen von zentraler Bedeutung“.

Digitalisierung liefere hier einen wichtigen Beitrag. Deshalb hat das BMEL den Förderschwerpunkt Garten­bau 4.0 initiiert und mit 12 Mio. Euro Förderung ausgestattet. Quer durch Deutschland arbeiten seit Ende 2019 mehr als 60 Institute, Forschungseinrichtungen und Unternehmen an digitalen Lösungen für den Gar­tenbau. „Jetzt soll geerntet werden“, erläuterte MinDir Dr. Schmied zum Ziel der Veranstaltung, den geförderten Projekten die Gelegenheit zu geben, ihre Ergebnisse zu präsentieren. 

Dr. Walter Dirksmeyer

MinDir Dr. Burkhard Schmied

Zu technischen Entwicklungspfaden im Gartenbau referierten im Anschluss Prof. Dr. Uwe Schmidt und Dr. Jochen Hemming. Prof. Dr. Uwe Schmidt berichtet von den gartenbaulichen Forschungsaktivitäten an der Humboldt-Universität Berlin,  Dr. Jochen Hemming von der Wageningen University und Research ergänzt die Innovationspalette um Eindrücke aus internationaler Perspektive.

Prof. Hemming berichtete über die vielfältigen Forschungsarbeiten zur Digitalisierung im Gewächshausgartenbau, z.B. zum Einsatz von Bildanalysemethoden für Ernteprognosen bei Gerbera und zur Bestimmung der Fruchtqualität von Tomaten. Gegenstand seiner Forschungsarbeit ist vor allem die Entwicklung von Ernterobotern, z. B. für Gurken, Schnittrosen, Paprika, Gerbera, Brokkoli und von Äpfeln und Birnen. Aktuell laufen Arbeiten für einen multifunktionalen Obstgartenroboter, der mehrere Aufgaben erledigen kann, z. B. Ernten, Schneiden und Fruchtausdünnung, um so für längere Einsatzzeiten der Roboter in den Betrieben zu sorgen und damit die Wirtschaftlichkeit solcher Systeme zu verbessern.

„Man darf nicht den Menschen simulieren, sondern muss den Produktionsprozess anpassen.“, resümiert er seine Erkenntnisse aus der umfangreichen Forschung zur Robotik. Am Beispiel eines Ernteroboters von Erdbeeren im Gewächs­haus bestätigte auch Prof. Schmidt, dass die Ernte noch nicht vollautomatisch möglich ist. Nachpflücker und eine Kontrolle durch eine Arbeitskraft werden weiterhin benötigt. 

Prof. Dr. Uwe Schmidt

Dr. Jochen Hemming

Zum Einsatz von digitaler Technik in der gärtnerischen Praxis demonstrierte Stephan Hirl der Firma Hirl Sonderkulturen das in den Niederlanden entwickelte System PATS-Drones. Im Gewächshaus fest installierte Kameras erkennen nachtaktive Insekten (Tuta Absoluta und Duponchelia fovealis), Minidrohnen werden anschließend automatisiert und blitzschnell angesteuert und zur Bekämpfung der Motten eingesetzt. 

Podiumsdiskussion

In der anschließenden Podiumsdiskussion waren sich die Vertreter*innen aus Forschung, Industrie, Beratung und Praxis einig, dass die Chancen der Digitalisierung für den Gartenbau in der Arbeitserleichte­rung und Produktivitätssteigerung liegen. Dr. Nadine Winkelmann (Spargelhof Winkelmann) berichtete aber auch darüber, dass der Einsatz von Robotik in ihrem Betrieb wegen mangelnder Netzabdeckung gar nicht auf allen Betriebsflächen möglich ist.

(v.l.n.r.): Dr. Nadine Winkelmann, Spargelhof Winkelmann|Dipl.-Ing. Hermann-Josef Solbach, Weihnachtsbaumkulturen Solbach |Dr. Marianne Altmann, CO CONCEPT | Prof. Dr. Thomas Rath, Hochschule Osnabrück 

Christian Kirchhoff (K.U.L.T. Kress Umweltschonende Landtechnik) bewertet die aus der Digitalisierung resultierenden neuen, attraktiven Arbeitsfelder und die Schaffung neuer Arbeitsplätze im Gartenbau als positiv.

Prof. Dr. Thomas Rath (Hochschule Osnabrück) erläutert, dass es noch Zeit und zusätzliche Ent­wicklungsarbeit braucht, bis die Prototypen wirklich in der Praxis ankommen:

„Der Schritt vom Labor in die Praxis ist im Gartenbau besonders schwierig und wird in der Regel unterschätzt.“

(v.l.n.r.) Prof. Dr. Thomas Rath, Hochschule Osnabrück | Christian Kirchhoff, K.U.L.T. Kress Umweltschonende Landtechnik

Für die Digitalisierung des Gartenbaus braucht es einen Informationsfluss über die verschiedenen Stufen der Wertschöpfungskette hinweg. Dr. Marianne Altmann (Marketingberatung CO CONCEPT) hebt die Po­tenziale von Digitalisierung an den Schnittstellen von Betrieb und vor- bzw. nachgelagerten Bereichen bis hin zu den Verbrauchenden hervor. Hermann Solbach (Weihnachtsbaumkulturen Solbach) hat hierzu be­reits konkrete Vorstellungen: „Die Kunden reservieren sich bereits im Herbst zu Hause über ein „Street­View“-ähnliches System einen Weihnachtsbaum in der Plantage.“

Forschungsergebnisse im Förderschwerpunkt Gartenbau 4.0

Nun waren die 12 Forschungsprojekte der Gartenbau 4.0-Projekte an der Reihe, ihre Forschungsergebnisse dem Publikum zu präsentieren. Der Science Slam diente der unterhaltsamen Kurzvorstellung, anschließend hatten die Teilnehmenden im Rahmen der Projektausstellung die Möglichkeit, die einzelnen Projektstände zu besuchen und sich detaillierter zu informieren.

Science-Slam-Beiträge der FuE-Projekte im hortigate-Blickpunkt „Gartenbau 4.0“

 

Die Ausstellung der Projekte fand im Gewächshaus-Verbindungsareal der LVG Heidelberg statt. An den Messeständen demonstrierten die Projekte ihre Forschungsergebnisse zum Teil sogar live oder anhand von Video- und Bildaufnahmen.

Poster der FuE-Projekte im hortigate-Blickpunkt „Gartenbau 4.0“

 

Die Eindrücke des ersten Tagungstages konnten die Teilnehmenden beim anschließenden Grillabend sacken lassen. Beim gemütlichem Beisammensein wurde auch der Gewinner des Science Slams bekannt gegeben. Die Auswertung des digitalen Abstimmungstools kürte Herrn Krüger mit dem Projekt LichtFalle zum Sieger. Er darf sich über einen Präsentkorb und ein Glückslos der Aktion Mensch Lotterie freuen.

 

Tag 2 – und noch offene Fragen.. 

Gleichzeitig mit den FuE-Projekten wurde HortiCo 4.0, ein eigenständiges Vernetzungs- und Transfervorhaben gefördert, um organisatorische, fachliche und öffentlichkeits­wirksame Aufgaben wahrzunehmen. Im Rahmen des Science Slams präsentierte Mariska Schäffer (DLR Rheinpfalz) HortiCo 4.0 im Allgemeinen und beleuchtete insbesondere die Arbeiten zum Wissenstransfer. Die Erkenntnisse der HortiCo 4.0-Begleitforschung wurden von Dr. Martin Geyer (Leibniz-Institut für Agrar­technik und Bioökonomie) am zweiten Tagungstag vorgestellt. Aus der Vielfalt der Projektthemen konnten Anwendungsfälle für den Einsatz von 4.0-Technologien im Gartenbau entwickelt werden: das digitale Insektenmanagement, die digitale Kulturführung und KI-basierte Informationsmanagementsysteme.

11:00 Uhr

Dr. Martin Geyer

HortiCo 4.0-Beiträge im hortigate-Blickpunkt „Gartenbau 4.0“

Workshop „Zukünftiger Forschungsbedarf“

Hierauf aufbauend wurde in einem Workshop über den zukünftigen Forschungsbedarf zur Digitalisierung im Gartenbau diskutiert. Die Diskussionsergebnisse sollen den Forschenden im HortiCo 4.0-Projekt als Grundlage für die Ausarbeitung von Empfehlungen an das BMEL zum weiteren Forschungsbedarf zum Ein­satz von 4.0-Technologien im Gartenbau dienen. Wichtige Forschungslücken für die Digitalisierung im Gar­tenbau bestehen in der Weiterführung der Prototypen zur Anwendungsreife, im Nachweis der Wirtschaft­lichkeit der Systeme und in der Integration solcher Systeme in gärtnerische Produktionssysteme.

 

Führung durch die Tagungsstätte der LVG Heidelberg

Zum Ende der Veranstaltung hatten die Teilnehmenden die Möglichkeit, an einer Führung durch die Tagungsstätte, der Lehr- und Versuchsanstalt für Gartenbau in Heidelberg teilzunehmen.

Bildquelle: Yvonne Grau/ZVG

Pressemeldung und Mitschrift der Veranstaltung

Eine offizielle Pressemeldung über die Ergebnisse der Tagung ist auf den Seiten des Thünen-Instituts veröffentlicht. Sie finden diese auch im HortiCo 4.0-Pressebreich zum Download.

Das Protokoll zur Veranstaltung können Sie im hortigate-Blickpunkt „Gartenbau 4.0“ als PDF-Dokument herunterladen